2. November 2025

Bundesverband legt erneut Beschwerde gegen Conterganstiftung ein – wir unterstützen!

Liebe Mitglieder und Interessierte,

der Bundesverband Contergangeschädigter e. V. hat erneut, inzwischen zum dritten Mal, eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Conterganstiftung eingereicht. Anlass ist die weiterhin als irreführend kritisierte Pressemitteilung der Stiftung vom 10.07.2025 sowie die aus Sicht des BV unzutreffende Darstellung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2025.

Der Bundesverband legt in seiner Beschwerde dar, dass die Stiftung das Urteil nicht korrekt wiedergibt, rechtliche Maßstäbe missachtet und zentrale Aussagen des Gerichts verschweigt – insbesondere zu den Themen Neubescheidung, Zusammensetzung der Medizinischen Kommission, Beweiserleichterung nach § 12 ContStifG sowie dem fehlenden Beurteilungsspielraum der Stiftung.

Der Contergangeschädigte Hessen e. V. unterstützt die Position des Bundesverbands vollumfänglich.
Diese erneute Beschwerde ist ein wichtiger Schritt, um Transparenz, Rechtssicherheit und fairen Umgang mit allen Betroffenen einzufordern.

Im Folgenden dokumentieren wir die Kernaussage des BV-Vorsitzenden Gernot Stracke im Wortlaut:

„Hiermit erneuern wir unsere Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Conterganstiftung für behinderte Menschen. Anlass ist und bleibt die irreführende Pressemitteilung der Stiftung vom 10.07.2025.
Das am 09.07.2025 ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 5 C 2.24) zeigt deutlich, dass die Stiftung zentrale rechtliche Maßstäbe missachtet hat.
[…]
Die Conterganstiftung verkennt sowohl den Ausgang des Verfahrens als auch die maßgeblichen rechtlichen Standards. Sie führt Betroffene und Öffentlichkeit weiterhin in die Irre und verletzt damit das Sachlichkeitsgebot sowie ihre Pflicht zur wahrheitsgemäßen Information.
Das Bundesministerium ist daher aufgefordert, unverzüglich aufsichtsrechtlich einzuschreiten.“

– Gernot Stracke, Vorsitzender Bundesverband Contergangeschädigter e. V.

Wir halten euch über den weiteren Verlauf auf dem Laufenden und danken allen, die sich für Transparenz, Gerechtigkeit und die Rechte der Betroffenen einsetzen.

Mit solidarischen Grüßen
Euer Contergangeschädigte Hessen e. V.

Vollständige Stellungnahme des BV-Vorsitzenden Gernot Stracke:

Erneute Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Conterganstiftung – irreführende Öffentlichkeitsarbeit und Missachtung der Rechtsprechung des BVerwG

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Prien,
sehr geehrte Frau Dr. Stüben,
sehr geehrte Frau Toepfer,
sehr geehrte Damen und Herren,

anbei übersende ich Ihnen nach Veröffentlichung der Urteilsbegründung des BVerwG unsere erneute, ergänzte Fachaufsichtsbeschwerde des Bundesverbands Contergangeschädigter e. V. gegen die Conterganstiftung wegen irreführender Öffentlichkeitsarbeit (Pressemitteilung vom 10.07.2025), unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 15.08.2025 (GZ 302-0443/000II*22).

Unsere wesentlichen Argumente wurden in Ihrem Schreiben nicht aufgegriffen. Die Beschwerde erläutert dies und enthält in Anlage eine tabellarische Gegenüberstellung der Aussagen der Pressemitteilung mit dem tatsächlichen Gehalt des BVerwG-Urteils vom 09.07.2025 (Az. 5 C 2.24).

Hiermit erneuern wir unsere Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Conterganstiftung für behinderte Menschen. Anlass ist und bleibt die irreführende Pressemitteilung der Stiftung vom 10.07.2025. Das am 09.07.2025 ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 5 C 2.24) zeigt deutlich, dass die Stiftung zentrale rechtliche Maßstäbe missachtet hat. Den schriftlichen Dialog  im Zusammenhang mit dieser Fachaufsichtsbeschwerde füge ich diesem Schreiben als Anlage bei.

  1. Falsche Darstellung des Prozessausgangs

Die Stiftung behauptet öffentlich, das Verfahren gewonnen zu haben. Tatsächlich hat das BVG die Stiftung nur Neubescheidung verpflichtet und ihr die vollen Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt. Ein vollständiger Erfolg für die Conterganstiftung liegt somit gerade nicht vor, im Gegenteil, sie war im Prozess unterlegen.

Zitat BVerwG„Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag … erneut zu bescheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.“

Allein die Kostenentscheidung belegt, dass die Stiftung nicht auf ganzer Linie gewonnen hat.

  1. Formelle Pflichtverletzungen – Medizinische Kommission

Das BVerwG hat klargestellt, dass ein Bescheid rechtswidrig ist, wenn nicht alle Mitglieder der Medizinischen Kommission beteiligt waren. Einzelvoten oder Teilentscheidungen reichen nicht. Eine ordnungsgemäße kollegiale Gremiumsentscheidung ist zwingend.

Zitat BVerwG: „Die Medizinische Kommission muss in kollegialer Zusammensetzung entscheiden; isolierte Stellungnahmen einzelner Mitglieder genügen nicht.“

Das Gericht hat hier eindeutig festgestellt, dass die Stiftung rechtsfehlerhaft gehandelt hat.

  1. Materielle Maßstäbe – Beweiserleichterung nach § 12 ContStifG

Das Gericht hat festgestellt, dass „in Verbindung gebracht werden können keine Vollbeweise erfordert, sondern eine wertende Gesamtbetrachtung.“

Wichtige Korrektur: Es reicht nicht, wenn ein Thalidomidschaden genauso wahrscheinlich ist wie eine andere Ursache.

Erforderlich ist, dass Thalidomid die wahrscheinlichste Ursache unter mehreren ernsthaft in Betracht kommenden Ursachen ist.

Zitat BVerwG: „In Verbindung gebracht werden können“ bedeutet eine wertende Gesamtbetrachtung. Thalidomid muss trotz verbleibender Zweifel die wahrscheinlichste Ursache sein.“

Das Gericht hat die Auffassung der Stiftung damit widerlegt und kritisiert, dass es keinerlei gerichtlich überprüfbare Richtlinien der Begutachtung seitens der Conterganstiftung gibt. Wie soll man demnach ohne solche Richtlinien zu der Feststellung gelangen, dass ein Conterganschaden wahrscheinlicher oder nicht wahrscheinlicher ist als ein anderer ursächlicher Schaden?

Wir stellen somit folgerichtig fest, dass Richtlinien dringend erforderlich sind für die Begutachtung.

  1. Kein Beurteilungsspielraum der Stiftung

Das Gericht hat betont, dass weder die Stiftung noch die Kommission einen unüberprüfbaren Beurteilungsspielraum haben.

Gerichte prüfen die Rechtsanwendung voll.

Zitat BVerwG: „Weder der Medizinischen Kommission noch der Stiftung steht ein nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.“ Auch in diesem Punkt wurde die Stiftung durch das Bundesverwaltungsgericht korrigiert.

  1. Kommunikationsproblem der Stiftung

Die Stiftung erklärt wiederholt, die Pressemitteilung sei angeblich „zu kompliziert“ gewesen und deshalb falsch verstanden worden.

Das Gegenteil ist der Fall: Offenbar hat die Stiftung selbst die Urteilsbegründung nicht verstanden oder will sie bewusst verschleiern.

Dies belegt erneut die vielfach kritisierte Distanz der Stiftung zu den Betroffenen und den bereits vielfach geäußerten Vertrauensverlust von Betroffenen und  Betroffenenverbänden in die Führung der Conterganstiftung.

Unsere aus den o.g. Gründen resultierenden Forderungen:

  • Entfernung bzw. Korrektur der irreführenden Pressemitteilung vom 10.07.2025
  • Klare Weisung an die Conterganstiftung, die Urteilsbegründung des BVerwG korrekt wiederzugeben
  • Sicherstellung, dass die Medizinische Kommission ihre Entscheidungen künftig nach den nun höchstrichterlich geklärten Maßstäben trifft.
  • Prüfung, ob strukturelle Veränderungen in der Stiftung notwendig sind, um eine Wiederholung zu verhindern und im optimalen Fall die Veranlassung zu notwendigen strukturellen Veränderungen

Die Conterganstiftung verkennt sowohl den Ausgang des Verfahrens als auch die maßgeblichen rechtlichen Standards.

Sie führt Betroffene und Öffentlichkeit weiterhin in die Irre und verletzt damit das Sachlichkeitsgebot sowie ihre Pflicht zur wahrheitsgemäßen Information.

Das Bundesministerium ist daher aufgefordert, unverzüglich aufsichts-rechtlich einzuschreiten im Zusammenhang mit der hier strittigen Presseerklärung.

Wir bitten um:

  1. Eingangsbestätigung dieser E-Mail und der Anlage
  2. sachliche Entscheidung über die in der Beschwerde formulierten Anträge
  3. Ihre Rückmeldung bis zum 10.12.2025

Für Ihre Mühe danken wir im Voraus und stehen für ein Fachgespräch, wie schon zuvor angekündigt, zur Verfügung.

Anlagen:

Fachaufsichtsbeschwerde_BV_2025-08-20.pdf 

Fachausichtsbeschwerde_BV_2025-10-31.pdf

und diverse Anlagen zum Kommunikationsverlauf in dieser Angelegenheit

 

 

Mit freundlichen Grüßen,

Gernot Stracke | Vorsitzender des Vorstandes
Bundesverband Contergangeschädigter e.V.