12. Juli 2021

Info: Assistenz im Krankenhaus und Kosten der Pflege zuhause in der Nacht

Liebe Mitglieder und Interessierte,

Contergangeschädigter NRW e.V. informiert:

Beide Artikel entnommen aus der Zeitung: ärzteblatt vom 24.6.21 /25.6.21

 

Bundestag beschließt Regelungen zur Krankenhausassistenz

Berlin – Regelungen zur Kostenübernahme für eine Assistenzbegleitung im Krankenhaus hat heute der Bundestag beschlossen. Danach soll die Krankenkasse bezahlen, wenn Angehörige begleiten – dazu wird ein Anspruch auf Krankengeld eingeführt​. Bei Begleitung durch Mitarbeiter von Einrichtungen der Behin­dertenhilfe sollen die Träger der Eingliederungshilfe zahlen.

Menschen mit schwersten oder mehrfachen Behinderungen, die im Alltag unterstützt werden, benötigen eine Assistenz oftmals auch während eines Aufenthalts im Krankenhaus oder in einer Rehaeinrichtung. Bislang bekamen Betroffene für die Begleitung nur finanzielle Hilfe, wenn sie die Unterstützung im so­genannten Arbeitgebermodell organisierten.

Die Reform wurde dem Gesetzes zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Änderung arzneimittel­rechtlicher und anderer Vorschriften (TAMG) als sogenannter Omnibus angehängt. Eine Änderung der be­stehenden Regelungen war seit Langem gefordert worden. Die Politik kommt damit auch einer Forderung des Pflegebevollmächtigten, der Pa­tientenbeauftragten und des Behindertenbeauftragten der Bundesre­gie­rung nach. Das Gesetz bedarf nach der Sommerpause noch der Zustimmung des Bundes­rats.

Linke und Grüne hatten im parlamentarischen Verfahren moniert, dass die Neuregelung immer noch zu viele Betroffene von einer Kostenübernahme ausschließe. Die Linke kritisierte, dass nur die Eingliede­rungs­hilfe einbezogen werde und darüber hinaus Begleitung nicht auch in Vorsorge- und Rehabilitations­einrichtungen ermöglicht werde. Die Grünen bemängelten, dass Menschen mit Demenz ausgeschlossen blieben.

Union und SPD sind hingegen zufrieden. „Es ist wichtig, dass eine medizinische Behandlung nun nicht mehr daran scheitert, dass sich Menschen mit Autismus, Sprachbehinderungen oder Angstzuständen im Krankenhaus nicht verständigen können“, sagte der Behindertenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestags­fraktion Wilfried Oellers.

Nun gehe es darum, dass der gefundene Kompromiss auch in der Praxis zu einer sachgerechten Lösung und einer fairen finanziellen Verteilung der Kosten für die Leistungsträger führe. Zum Kostenaufwand lägen bislang nur Schätzungen vor, so Oellers.

Daher strebe man in einigen Jahren eine Untersuchung der Regelung an, um die Frage der Kostentragung vor diesem Hintergrund noch einmal zu bewerten. Laut Bundestagsbeschluss sollen die Ergebnisse bis zum 31. Dezember 2025 veröffentlicht werden.

 

Urteil des Bundesarbeits­gerichts zur Pflege sorgt für Debatten

Freitag, 25. Juni 2021

Berlin – Nach dem Grundsatzurteil für eine bessere Bezahlung ausländischer Pflegekräfte in der häusli­chen 24-Stunden-Betreuung werden Rufe nach Neuregelungen laut.

Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) sagte heute in Berlin, dies sei ein dringliches Thema für betroffene Familien und die Beschäftigten, die ihre Rechte auch umsetzen können sollten. Er sprach sich dafür aus, eine eigene gesetzliche Regelung zu Arbeitsschutz und Arbeitszeiten zu schaffen.

Dies sei in der Regierung bisher nicht konsensfähig gewesen, man könne im Lichte des Urteils aber ins Gespräch kommen. Dies sei ein Thema, mit dem sich die neue Regierung zügig befassen sollte.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte das Urteil „wegweisend und richtig“. Er sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv: „Egal ob Sie aus Bukarest oder aus Bottrop kommen: Wenn Sie arbei­ten, dann haben Sie einen anständigen Lohn verdient.“

Dies könne so nicht weitergehen. Nun müsse der Weg einer „Pflegebürgerversicherung“ gegangen wer­den, um „auch im Haushalt lebende pflegebedürftige Personen besser absichern und unterstützen zu können“.

Das Bundesarbeitsgericht hatte gestern ein Grundsatzurteil gefällt. Ausländischen Arbeitnehmern, die Senioren in ihren Wohnungen betreuen, stehe der gesetzliche Mindestlohn zu, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter (Az.: 5 AZR 505/20). Der Mindestlohn gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen die zumeist aus Osteuropa stammenden Frauen Betreuung auf Abruf leisteten.

Auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung sieht Handlungsbedarf. „Die 24-Stunden-Betreu­ung muss deshalb zu einem Megathema der Politik werden, mit dem Ziel, weder funktionierende Pflege­settings zu zerstören noch prekäre Arbeitsbedingungen und fragwürdige rechtliche Konstellationen zu tolerieren“, sagte Andreas Westerfellhaus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Der Bundesverband der Betreuungsdienste (BBD) begrüßte das Urteil. Die Duldung von Schwarz­arbeit und die Ausnutzung von Betreuungskräften, die 24 Stunden und 7 Tage die Woche bereitstehen, werde damit beendet. „Was für den Rettungsdienst, Pflegekräfte, Ärzte und andere Berufsgruppen mit Bereit­schaftsdiensten gilt, hat das Bundesarbeitsgericht nun richtigerweise auf die Living-in Kräfte übertra­gen.“